Marc Aurel – Die Kunst des guten Lebens – ISBN 978-3-7306-0179-2


Ich lernte, unbedingt wohlwollend zu sein, und fasste den Vorsatz, der Natur gemäß zu leben….Die Wünsche von Freunden sorgsam zu erraten, gegen Unwissende und Mensch, die gedankenlosem Wahn frönen, geduldig zu sein, überhaupt die Kunst, die Menschen so zu nehmen, wie sie sind.

..und nie dem Zorn oder einer anderen Leidenschaft Raum zu geben – zugleich mit dieser völligen Leidenschaftslosigkeit die Regungen zärtlichster Liebe zu verbinden.

Ich wurde ermahnt, Klagen eines Freundes, selbst wenn er sie grundlos vorträgt, nie auf die leichte Schulter zu nehmen, sonder zu versuchen, sein altes Vertrauen zurückzugewinnen.

Von dem, der mich von alledem überzeugte, glaubte jedermann, er rede, wie er denke, und tue nichts in übler Absicht. Nie ließ er sich von Bewunder4ung oder Staunen hinreißen, nirgends zeigte er Übereilung oder Saumseligkeit, nie war er ratlos oder niedergeschlagen, nie nur scheinbar freundlich oder zornig oder überhaupt schlecht gelaunt. Wohltätig, versöhnlich, ein Feind der Lüge, bot er das Bild eines aufrechten Mannes, an dem nichts zu bessern ist. Nie glaubte jemand, er werde von ihm verachtet, und nie wagte es jemand, sich über ihn zu erheben. Auch wenn er scherzte, wahret er den Anstand.

er war unempfindlich gegen jede Form von Eitelkeit bei vermeintlichen Ehrenerweisungen, ein Freund von Tätigkeit und darin unverdrossen, hörte gern auf das Gemeinwohl bezogenen Vorschläge anderer.

Er warb nicht um die Gunst der Mensch durch Künste der Gefallsucht oder Begünstigung der Masse, er war in allem nüchtern und fest.

Vornehmlich ist an ihm zu rühmen, dass er Menschen, die auf irgendeinem Gebiet eine besondere Stärke besaßen, neidlos den Vorrang einräumte, ja, ihnen sogar dabei behilflich war, dass jeder mach dem Maß seiner besonderen Fähigkeiten Anerkennung fand.

Gleich am frühen Morgen sage dir: Ich werde heute einem vorlauten, einem undankbaren, einem ränkevollen, einem verleumderischen und einem ungeselligen Mensch begegnen. Sie haben aber alle diese Fehler nur wegen ihrer Unkenntnis des Guten und Bösen. Ich hingegen weiß, dass das Gute seinem Wesen nach schön, das Böse hässlich ist und dass keiner dieser Menschen mich beschädigen kann, denn niemand vermag mich in etwas Schändliches zu verwickeln. Auch kann ich dem, der mit mir zwar nicht dem Blut, aber der Vernunft nach verwandt ist, weder zürnen noch gram sein, sind wir doch zu gemeinsamer Wirkung da, wie die Füße, wie die Hände, wie die Augenlider, wie die beiden Reihen der oberen und unteren Zähne. Einander entgegenwirken wäre mithin naturwidrig; aber es wäre schon ein Entgegenwirken, wenn man jemandem gegenüber ungehalten wäre und sich von ihm abwendete.

Sei jederzeit ernstlich darauf bedacht, die dir obliegenden Geschäfte überaus gewissenhaft und ungekünstelt, mit warmer Menschenliebe, mit Freimut und Gerechtigkeit zu vollziehen. Dahin wird du es bringen, wenn due jede Handlung als die letzt deines Lebens ansiehst, frei von aller Unbesonnenheit und leidenschaftlichen Abneigung gegen die Vorschriften der Vernunft, frei von Heuchelei, Eigenliebe und Unzufriedenheit mit deinem Los.

Unbedeutend ist also, was jeder lebt, unbedeutend der Erdenwinkel, wo er lebt, unbedeutend auch der Nachruhm, selbst wenn er noch so lange dauert. Denn der zeiht sich fort durch eine Reihe schnell dahinsterbender Menschen, die nicht einmal sich selbst, geschweige denn einen längst Verstorbenen kennen.

Welche Tugend muss ich diesem Ereignis entgegenbringen? Sanftmut? Tapferkeit? Wahrheitslieb e? Treue? Schlichtheit? Genügsamkeit oder welche andere gute Eigenschaft?

Das Vermögen, durch Eindrücke von außen Vorstellungen zu empfangen, besitzen auch unsere Haustiere; durch Triebe mechanisch in und her gezerrt zu werden, ist den wilden Tieren und Übeltätern gemeinsam.

Die Vernunft als Führerin hat, dass er alles, was ihm durch die Verkettung der Umstände begegnet, mit Liebe umfasst.

Dass die Gegenstände der Sinnenwelt deine Seele nicht berühren, sondern Außendinge bleiben, und dann, dass alles, was du siehst, sich schnell verändert und bald nicht mehr sein wird.

Die Welt ist Veränderung, das Leben ist Vorstellung

Nur so zu handeln, wie die Vernunft zum Wohl der Menschen es nahe legt, und dann, die Meinung zu ändern, sobald man eines Besseren belehrt wird.

Die Kunst, die du gelernt hast, behalte lieb, suche in ihr deine Ruhe! Den Rest deines Lebens durchwandere aus ganzer Seele als jemand, der alle seine Angelegenheiten ganz und gar den Göttern überlassen hat und sich als keines Menschen Tyrann oder Sklave aufspielt!

Bald wirst du tot sein und bist immer noch nicht schlicht, nicht gelassen, nicht frei vom Wahn, dass äußere Dinge dich unglücklich machen könnten, nicht freundlich gegen jedermann, keiner, der die geistige Tätigkeit allein ins Gerechthandeln verlegt.

Alles, was uns zustoßen mag, ist so vertraut wie die Rose im Frühling und das Obst im Sommer, Dazu gehören also auch Krankheit und Tod und Verleumdung und Nachstellung und was sonst die Toren erfreut oder betrübt.

Sieh also das Menschliche zu jeder Zeit als etwas Flüchtiges und Geringwertigen an!. Was gestern noch lebenswarm war, ist morgen schon ein einbalsamierter Leichnam oder Asche.

Glücklich bin ich, dass ich trotz dieses Schicksals kummerlos bleibe, weder von der Gegenwart zerrieben noch voll Angst vor der Zukunft.

„Das ist kein Unglück, sondern es mit Anstand zu tragen ist ein Glück“

Ich erwache, um als Mensch zu wirken.

Ehe das Lebensende da ist, was genügt da? Nichts anderes, als die Götter zu ehren und zu preisen, den Menschen aber Gutes zu erweisen und sie auszuhalten beziehungsweise von sich fernzuhalten.

Glücklich ist, wer sich selbst ein glückliches Los bereitet hat. Das glückliche Los aber besteht in guter Gemütsstimmung, in guten Neigungen und in guten Handlungen.

Ihren Zeitgenossen, mit denen sie zusammenleben, verweigern sie Anerkennung. Für sich selbst aber dürsten sie nach dem Lob durch die Nachkommen, die sie weder gesehen haben noch sehen werden.

Kann mich jemand davon überzeugen, dass ich nicht richtig vermute oder handele, so will ich es gern anders machen. Ich suche doch nur die Wahrheit, von der noch nie jemand Schaden erlitten hat. Wohl aber erleidet der Schaden, der auf seinem Irrtum beharrt und auf seiner Unwissenheit.

Schäme dich nicht, dir helfen zu lassen!

Es ist eine Eigenart des Menschen, auch die zu lieben, die sich verfehlen. Dazu kommt es auch bei dir, wenn du dir klar machst, dass sie aus Unwissenheit und unfreiwillig fehlgehen.

Wenn jemand sich gegen dich vergeht, erwäge sofort, welche Ansicht über Gut und Böse ihn zu diesem Vergehen bestimmt haben könnte. Sobald du das weit, wirst du mit ihm nur Mitleid haben und dich weder wundern noch ihm zürnen. Denn entweder hast du über das Gute noch dieselbe Ansicht wie er oder eine ähnliche, dann musst du also verzeihen. Wenn du aber über Gut und Böse nicht mehr diese Meinung hast, dann wird du umso leichter milde gestimmt sein gegenüber dem, der das falsch sah.

Denke nicht an das, was dir fehlt, sondern wähle unter den vorhandenen Gütern die dir wichtigsten aus. Dann erwäge, in welchem Maß du sie begehren würdest, wenn du sie nicht hättest. Jedoch hüte dich zugleich davor, das dieses Wohlgefallen dich über das richtige Maß hinaus betört“

Denke stets daran, was das für Leute sind, nach deren Zeugnis du strebst, und welche Grundsätze sie leiten!

Es ist lächerlich, der eigenen Schlechtigkeit nicht ausweichen zu wollen obgleich das möglich wäre, wohl aber der Schlechtigkeit anderer, was nicht geht.

Wenn du eine Wohltat erwiesen hast und sonst wie eine Wohltat empfangen hast, was suchst du dazu als Drittes, den Toren gleich, den Ruhm eines Wohltäters oder eine Erwiderung der erwiesenen Wohltat?

Wo ist das Glück des Lebens? Da, wo man das tut, was die Menschnatur erfordert. Aber wie lässt sich das vollbringen? Wenn man Grundsätze besitzt, aus denen unsere Antriebe und Handlungen entspringen. Was sind das für Grundsätze? Solche, die sich auf Gutes und Schlechtes beziehen und nach denen nichts für den Menschen gut ist, was ihn nicht gerecht, besonnen, tapfer, frei macht, und ebenso nicht schlecht, was nicht das Gegenteil hervorbringt.

Lesen ist dir nicht möglich, aber deinen Hochmut zurückzudrängen ist möglich, Freuden und Leiden zu beherrschen ist möglich, über eitle Ruhmsucht erhaben zu sein ist möglich, gefühllosen und undankbaren Menschen nicht zu zürnen, vielmehr, dich ihrer anzunehmen ist möglich.

Bedenke, dass du ebenso frei bleibst, wenn du deine Meinung änderst und dem, der sie berichtigt, nachgibst. Denn auch in diesem Fall handelst du nach deinem Willen und Urteil.

Du stehst in drei Bezieh7ungen: in einer zu dem dich umhüllenden Körper, in einer anderen zu dem göttlichen Ursprung, durch dessen Wirken alles geschieht, in einer dritten zu deinen Mitmenschen.

Jetzt steht es doch allein bei mir, in dieser Seele keine Bosheit, keine Begierde und überhaupt keine Unruhe aufkommen zu lassen.

Lasse dich nicht durch die Erinnerung an dein ganzes Leben verwirren! Fass nicht alle Leiden, die vielleicht noch über dich kommen, nach Art und Menge auf einmal in Gedanke zusammen.

Keinem Menschen kann etwas widerfahren, was nicht ein menschlicher Zufall wäre, auch nicht einem Rindvieh, was nicht zum Rindvieh gehärt, auch nicht einem Stein, was nicht die Eigentümlichkeit eines Steins ist.. Wenn also jedem nur das begegnet, was gewöhnlich und natürlich ist, was grämst du dich dann wohl?

Ärgerst du dich über einen Gegenstand der Außenwelt, so ist es nicht jener, der dir lästig ist, sondern dein Urteil darüber. Dieses aber sofort zu beseitigen seht in deiner Macht. Hat dagegen deine Missstimmung in deinem Seelenzustand ihren Grund, wer hindert dich dann, deine Ansichten zu berichtigen? Desgleichen, wenn du dich darüber grämst, dass du nicht tust, was dir als vernünftig erscheint. Weshalb tust du es denn nicht, statt dich zu grämen? „Aber ein Hindernis, stärker als ich, stellt sich mir in den Weg!“ Gräme dich also nicht! Der Grund deiner Untätigkeit liegt ja dann nicht bei dir.

Zu dem, was die Sinneswahrnehmungen dir unmittelbar kundtun, dichte dir nicht noch etwas in Gedanken hinzu.

Sei in deinem Tun nicht fahrlässig, in deinen Reden nicht verworren, in deinen Ansichten nicht zerstreut, lasse dein Gemüt weder ganz und gar einengen noch von Leidenschaften aufwallen, bleibe in deinem Leben nicht völlig ohne Muße, Mögen dich deine Feinde mit ihren Flüchen verfolgen – was tut denn das? Deine denkende Seele kann trotzdem rein, verständig, besonnen, gerecht bleiben. Denn eine klare Quelle hörte auch nicht auf, ihren Labetrunk hervorzusprudeln, wenn jemand hinzuträte, sie schmähte und Dreck hineinwürfe. Wie wirst du eine solche stets sprudelnde Quelle besitzen und nicht einen versiegten Brunnen? Wenn du dir zu jeder Zeit eine freie Gesinnung aneignest, verbunden mit Wohlwollen, Einfachheit, und Anstand.

Wer nicht weiß, was die Welt ist, der weiß auch nicht, wo er lebt. Wer aber den Zeck ihres Daseins nicht kennt, der weiß weder wer er selbst noch was die Welt ist.

Wer sich verfehlt, verfehlt sich an sich selbst; wer Unrecht tut, tut sich selbst Unrecht, indem er sich Schlechtes zufügt.

Im Sinne Platons : Entweder die Könige Philosophen sein sollten oder die Philosophen Könige.

Mach es dir zum Gesetz, die herrschenden Grundsätze der Mensch, die Gegenstände ihrer Bemühungen und die Beweggründe ihrer Zuneigung und Wertschätzung, mit einem Wort: ihre Seelen ohne Hüllen zu sehen. Wenn sie glauben, durch ihren Tadel zu schaden oder durch ihre Lobpreisungen zu nützen –welch ein Wahn!

Der Mensch ist zum Gutsein geschaffen. Sooft er eine Wohltat erwiesen oder etwas für den allgemeinen Nutzen Förderliches geleistet hat, sooft erfüllt er den Zweck seines Daseins.

Geist aber und Vernunft können durch alles, was sich ihnen in den Weg stellt, hindurch schreiten.

Die Reize eines Lieds wirst du gering achten lernen, wenn du die Melodie in ihre einzelnen Töne zerlegst.

Sie müsste (Freude) aus deinen Augen hervorleuchten, wie der Geliebte alles im Blick der Liebenden lesen kann. Überhaupt muss der aufrichtige und gute Mensch in seiner Art das sein, was der Übelriechende in seiner ist, nämlich dass, wer in seiner Nähe steht oder ihm auch nur näher kommt, sofort spürt, wen er vor sich hat, er mag es wollen oder nicht.

Ist ihr Handeln vernünftig, so werde nicht unwillig; ist es das nicht, so handeln sie offenbar wider Wollen und Wissen.

Zu einem Räuber oder Böses tuenden „Nicht doch! Wir sind zu etwas anderem geboren. Mir wirst du nicht schaden, dir aber.“

Jeder Schritt zu Ungerechtigkeiten, Ausschweifungen, Ausbrüchen von Zorn, Schwermut und Furcht ist nicht anderes Als ein Abfall von der Natur, du bist ja nicht minder zu Besonnenheit und Gottesfurcht als zu Gerechtigkeit geschaffen.

Sokrates nannte die Meinungen der Menge „Schreckgestalten für Kinder“.

Der ist von Sinnen, der im Winter eine Feige sucht, ebenso, wer ein Kind haben möchte, obwohl er ein solches nicht mehr bekommen kann.

Gemäß Epiktet musst du dich ganz und gar der Begierden enthalten und alles meiden, was nicht in unserer Macht steht.

Ehre einzig und allein die herrschende Vernunft und das Göttliche in dir! Fürchte dich nicht vor dem früheren oder späteren Ende des Lebens, sondern nur davor, dass du ein naturgemäßes Leben noch nicht einmal begonnen hast! Erst dann wirst du ein Mensch sein, würdig der Welt, deiner Erzeugerin, und du wirst auch aufhören, in deinem Vaterland ein fremder zu sein, und nicht mehr das was alle Tage geschieht, als etwas anstaunen, das dein Erwarten übersteigt.

Du bestehst aus drei Teilen, aus Körper, Seele und Denkvermögen. Von diesen sind die beiden ersten nur insoweit Dein, als du für sie zu sorgen hast; nur der dritte ist im Wortsinn dein Eigentum.

Die Gegenwart, ganz zu durchleben, so wird es dir möglich sein, den Rest deiner Tage bis zum Tod ungestört, rechtschaffen und unverkrampft hinzubringen.

Oft wundere ich mich darüber, wie derselbe Mensch, der sich selbst mehr liebt als alle anderen, dennoch sein eigenes Urteil über sich geringer schätzt als das Urteil anderer.

Merke es doch endlich, dass du etwas Besseres und Göttlicheres in dir hast als das, was die Leidenschaften erregt und dich wie eine Puppe hin- und herzerrt! Du fragst dich: Was beherrscht jetzt mein Denken? Ist es etwa Furcht oder Argwohn oder Begierde oder etwas anderes dieser Art?

Fragt man dich, wo du die Götter gesehen hast oder woher du weißt, dass es sie gibt, und sie deshalb so hoch verehrst, so antworte: „Sie sind ersten schon für das leibliche Auge sichtbar; zweitens habe ich auch meine eigenen Seele nicht gesehen und halte sie dennoch in Ehren. Folglich schließe ich auch auf das Dasein der Götter aus den von allen Seiten mir gebotenen Proben ihrer Macht und verehre sie.“

Das Heil des Lebens: Bei jedem Gegenstand zu sehen, was er im Ganzen, was er nach seiner Beschaffenheit und was er nach seiner Wirkungskraft ist, außerdem aus ganzem Herzen das Rechte tun und die Wahrheit sprechen. Reihst du dergestalt Gutes an Gutes, ohne den mindesten Zwischenraum zu lassen, was anderes ist dann die Folge als froher Lebensgenuss?