Meister Eckhart (1260 - 1327), deutscher Mystiker und Provinzial der Dominikaner, starb unter der Anklage der Ketzerei Der Mensch soll sich nicht genügen lassen an einem gedachten Gott; denn, wenn der Gedanke vergeht, vergeht auch der Gott. Man soll vielmehr einen wesenhaften Gott haben, der weit erhaben ist über die Gedanken der Menschen und aller Kreaturen. Es ist der Natur schlechthin unmöglich, ein Wesen zu zerbrechen, zu schädigen oder irgend anzutasten, wofern sie nicht damit auf einen höheren Wert hinaus will. Es weiß immer ein Esel einen andern zu schätzen. Im Schweigen mag der Mensch am ehesten seine Lauterkeit bewahren. Immer ist die wichtigste Stunde die gegenwärtige; immer ist der wichtigste Mensch, der dir gerade gegenübersteht; immer ist die wichtigste Tat die Liebe. Was der Mensch mit großer Arbeit erstreiten muß, das wird ihm eine Herzensfreude. Die Menschen sollen nicht so viel nachdenken, was sie tun sollen, sie sollen vielmehr bedenken, was sie sind. Gott aber, hat man ihn überhaupt, so hat man ihn allerorten; auf der Straße und unter den Leuten so gut wie in der Kirche oder in der Einöde oder in der Zelle… Der Mensch soll sich daran gewöhnen, nicht das Seine in den Dingen zu suchen oder zu nehmen, sondern in allen Dingen Gott zu suchen und zu nehmen. Gott ist allezeit bereit – aber wir sind sehr unbereit. Gott ist uns nahe, aber wir sind ihm ferne. Gott ist drinnen, wir sind draußen. Gott ist in uns heimisch, wir sind Fremde. Wäre das Wort ›Danke‹ das einzige Gebet, das du je sprichst, so würde es genügen. Und plötzlich weißt du: Es ist Zeit, etwas Neues zu beginnen und dem Zauber des Anfangs zu vertrauen. Du sollst wissen, daß sich noch niemals ein Mensch in diesem Leben in die Tiefe hinein selbst so gelassen hat, daß er nicht noch mehr für sich zu lassen fände. Wer arm an allen Dingen geworden ist, der empfängt alle Dinge. Der Mensch lasse zuerst sich selbst, dann hat er alles gelassen. Je weiser und mächtiger ein Meister ist, um so unmittelbarer kommt sein Werk zustande, und um so einfacher ist es. Das Auge mit dem ich Gott sehe ist dasselbe Auge mit dem Gott mich sieht. Das schnellste Roß, das euch zur Vollkommenheit trägt, ist das Leiden. Besser im Arbeitskittel und rein sein, Als mit dem höchsten Titel gemein sein. Willst du den Kern haben, so mußt du die Schale zerbrechen. Es war nie größere Mannheit und Streit und Kampf, als der sein Selber vergißt und verleugnet. Der Mensch soll nicht die Dinge fliehen und sich in eine Einöde begeben, sondern er muß lernen, durch die Dinge hindurchzubrechen und seinen Gott darinnen zu ergreifen. Ein auferhobenes Gemüt sollst du haben, nicht ein niederhangendes, ein brennendes Gemüt, in dem doch eine ungetrübte, schweigende Stille herrscht. Es ist nichts so zugedeckt, es soll aufgedeckt werden. Dem ruhigen Geist ist alles möglich. Da der Mensch in diesem Leben nicht bestehen kann ohne Arbeit, diese vielmehr des Menschen Teil ist, darum so lerne der Mensch, seinen Gott zu haben mitten in den Dingen und ungehindert zu bleiben von Geschäft und Ort. Gott ist mir näher, als ich mir selber bin. Mein Dasein hängt daran, daß Gott mir nahe und gegenwärtig ist. Liebe kann nicht mißtrauen, sie gewärtigt nur Gutes. Gott ist immer in uns, nur wir sind so selten zu Hause. Die Leute sollten nicht immer soviel nachdenken, was sie tun sollten, sie sollen lieber nachdenken, was sie sein sollten. Wären sie nur gut, so möchten ihre Werke selber leuchten. Soll die Seele Gottes gewahr werden, so muß sie auch ihr Selbst vergessen und sich selber verlieren. Denn solange sie sich selbst sieht und weiß, solange gewahrt sie Gott nicht. In allen übrigen Wesen ist Gott als Wesen, als Tätigkeit, als Empfinden, aber nur in der Seele gebiert er sich. Alle Kreaturen sind eine Fußstapfe Gottes, aber die Seele ist in ihrer Natur Gottes Ebenbild. Wir selbst sind die Ursache aller unserer Hindernisse. In dieser Liebe, in der Gott sich selber liebt, in der liebt er die ganze Welt. In dieser Lust, in der Gott sich selber genießt, in der genießt er die ganz Welt. Wenn du Gott bei der Arbeit im Stalle weniger hast als im Hochamt, dann hast du ihn nicht. Über Gott will ich schweigen. Die Seele soll ihren Schritt lenken in die Ewigkeit ihres eignen Wesens und andächtig betrachten, wie sie durch die Gnade Gottes eine unvergängliche Natur ist, die er berufen hat zur Gemeinschaft seiner ewigen Seligkeit. Mitten in den Dingen muß der Mensch Gott ergreifen und sein Herz gewöhnen, ihn allzeit als einen Gegenwärtigen zu besitzen im Gemüt, in der Gesinnung und im Willen. Halte dich abgeschieden von allen Menschen, bleibe ungetrübt von allen aufgenommenen Eindrücken, mache dich frei von allem, was deinem Wesen eine fremde Zutat geben könnte, und richte dein Gemüt allzeit auf ein heilsames Schauen: bei welchem du Gott in deinem Herzen trägst, als den Gegenstand, von dem deine Augen nimmer wanken. Oh, merket wohl, alle nachdenklichen Gemüter: das schnellste Roß, das euch zur Vollkommenheit trägt, ist Leiden. Niemand genießt soviel ewige Seligkeit, als die mit Christus in der göttlichen Bitterkeit stehen. Denn Liebe bringt Leid – und Leid bringt Liebe. Der Geist soll also frei sein, daß er an allen nennbaren Dingen nicht bange und daß sie nicht an ihm hangen. Ja, er soll noch freier sein: also frei, daß er für all seine Werke keinerlei Lohn erwarte von Gott. Die allergrößte Freiheit aber soll dies sein, daß er all seine Selbstheit vergesse und mit allem, was er ist, in den grundlosen Abgrund seines Ursprungs zurückfließe. Alles, was vergangen ist alles, was gegenwärtig ist alles, was zukünftig ist, das erschafft Gott im Innersten der Seele. Denke nicht, dein Heil zu setzen auf ein Tun! Man muß es setzen auf ein Sein. Es gibt keinen besseren Maßstab der Liebe als das Vertrauen. Wenn wir ein kleines Blümchen ganz und gar, so wie es in seinem Wesen ist erkennen könnten, so hätten wir damit die ganze Welt erkannt. Die Buße ist schlechthin Erhebung des Gemütes über alles Endliche, ein Aufgehen in Gott. Der gegenwärtige Augenblick ist das Fenster, durch das Gott in das Haus meines Lebens schaut. Die Freunde Gottes sind nie ohne Labe; denn was Gott will, das ist, ob erquicklich oder unerquicklich, für sie die höchste Labsal. Nicht gedenke man Heiligkeit zu gründen auf ein Tun; man soll Heiligkeit vielmehr gründen auf ein Sein, denn die Werke heiligen nicht uns, sondern wir sollen die Werke heiligen. Alles, was der göttlichen Natur eigen ist, das ist auch ganz dem gerechten und göttlichen Menschen eigen. Darum wirkt solch ein Mensch auch alles, was Gott wirkt: Er hat zusammen mit Gott Himmel und Erde geschaffen, er ist Zeuger des ewigen Wortes, und Gott wüßte ohne einen solchen Menschen nichts zu tun. Solang einer der Wahrheit nicht gewachsen ist, solang wird er die Wahrheit nicht verstehen. In Gott wird auch der Seele schöpferisches Allvermögen zuteil. Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist. Der wahrhaft Liebende liebt Gott in allem und findet Gott in allem. Etliche Leute wollen Gott mit den Augen ansehen, wie sie ein Rind ansehen, und wollen Gott ebenso minnen, wie sie ein Rind minnen. Gott ist dreifach von Person und doch einfach von Natur. Gott ist auch an allen Orten, und an jedem Ort ist Gott ganz. Das will so viel sagen, daß alle Orte ein Ort Gottes sind. Je einfacher etwas ist, desto mehr Kraft und Stärke liegt darin. Jeder Unterschied ist Gott fremd, sowohl in Bezug auf seine Natur wie in Bezug auf die Personen. Beweis: Seine Natur ist eine; und jede Person ist eine und eben dieses selbe Eine, was die Natur ist. Man soll Gott nicht außerhalb von einem erfassen und ansehen, sondern als mein Eigen und als das, was in Einem ist. Wenn die Seele etwas erfahren möchte, dann wirft sie ein Bild der Erfahrung vor sich nach außen und tritt in ihr eigenes Bild ein. Willst du getröstet werden, so vergiß derer, denen es besser geht und denke immer an die, denen es schlimmer ist. Nicht durch ein Gebet kann ein Herz rein werden, sondern aus einem reinen Herzen entfließe das reine Gebet. Nun merket, wie die Seele zu ihrer höchsten Vollendung kommen kann: Wenn Gott in die Seele getragen wird, dann entspringt in der Seele ein göttlicher Liebesquell, der treibt die Seele wieder in Gott zurück, sodaß der Mensch nichts mehr wirken mag als geistliche Dinge. Sobald Gott dich bereit findet, muß er in dein Wesen einströmen, geradeso wie der Sonnenschein sich auf die Erde ergießen muß, wenn die Luft klar und rein ist. Sehnendes Verlangen schafft Liebe, und Liebe überwindet alle Hindernisse. Sie ist die größte Kraft, der selbst Gott nicht widerstehen kann. Gott ist, was er ist, und was er ist, das ist mein, und was mein ist, das liebe ich, und was ich liebe, das liebt mich und zieht mich in sich hinein, und was mich in sich gezogen hat, das bin ich mehr als ich ich selber bin. Jegliche Kreatur ist Gottes voll und ist ein aufgeschlagenes Buch, und wer darin recht zu lesen weiß, der braucht keine Predigt mehr. Alle Liebe dieser Welt ist auf Eigenliebe gebaut. Ließest du die Eigenliebe, so ließest du leicht die ganze Welt. Die allerbeste Buße ist die, daß man sich zu einer vollkommenen Abkehr entschließt von allem, was nicht durchaus Gott und göttlich ist an uns und aller Welt. Das Beste und Herrlichste, wozu man in diesem Leben gelangen kann, ist, daß du schweigst und Gott wirken und sprechen läßt. Nimm dich selber wahr und wo du dich findest, da laß von dir ab. Das ist das allerbeste. In Gott gibt es nicht Traurigkeit, noch Leid, noch Ungemach: willst du ledig sein alles Ungemachs und Leides, so halte dich allein an Gott! Sicherlich! All dein Leid kommt nur davon, daß du nicht umkehrst in Gott. Alles Kornes innerste Natur meint den Weizen, alles Metall meinet Gold, alle Geburt meinet den Menschen. Die Liebe beginnt da, wo das Denken aufhört. Wir brauchen aber die Liebe von Gott nicht zu erbitten, sondern wir müssen uns für sie nur bereit halten. Soll Gott gesehen werden, so muß es in einem Lichte geschehen, das Gott selbst ist. Das Auge, in dem ich Gott sehe, ist dasselbe Auge, darin mich Gott sieht – mein Auge und Gottes Auge ist ein Auge und ein Erkennen und ein Lieben. Du brauchst Gott weder hier noch dort zu suchen; er ist nicht weiter als vor der Tür des Herzens. Dort steht er und harrt und wartet. Des rechten Betens Bedingungen sind vor allem diese vier: in Trübsal Langmut und Geduld, im Herzen Reinheit; im Beten selbst Beharrlichkeit. Wenn das Leben fragte tausend Jahre lang: "Warum lebst du?", wenn es überhaupt antwortete, würde es nur sagen: "Ich lebe, um zu leben!" Das rührt daher, weil das Leben aus seinem eigenen Grunde lebt, aus seinem Eigenen quillt; darum lebt es ohne Warum: es lebt nur sich selber! Und fragte man einen wahrhaften Menschen, einen, der aus seinem eigenen Grunde wirkt: "Warum wirkst du deine Werke?", wenn er recht antwortete, würde er auch nur sagen: "Ich wirke, um zu wirken!" In einem jeden Menschen gibt es zwei: den inneren und den äußeren. Es gibt so manche Menschen, die verzehren der Seele Kräfte allzumal für den äußeren Menschen. Das sind die Leute, die alle Sinne und Gedanken auf äußere und vergängliche Güter richten, die nichts vom inneren Menschen wissen. Das raubt der Seele die Kraft. Man muß aber auch wissen, daß der äußere Mensch gar wohl aktiv sein kann und dabei doch der innere frei und unbewegt zu sein vermag. Das ist wie bei einer Tür: Während sich das Türblatt, das unserem aktiven Teil entspricht, bewegt, so bleibt doch die Angel, in der die ganze Tür hängt, ruhig und wird nicht im Geringsten verändert. Die Angel, das ist der innere Mensch. Wer werden will, was er sein soll, der muß das abstreifen, was er heute ist. Ich will Gott immer bitten, daß Er Sich mir gebe: ich will Ihn bitten, daß er mich lauter mache. Denn wäre ich lauter, Gott müßte sich mir geben aus Seiner eigenen Natur und Sich in mich fügen. Was kann es Süßeres geben, als einen Freund zu haben, mit dem du alles, was in deinem Herzen lebt, bereden kannst wie mit dir selber? Wahr ist es, daß Leiden edel ist, und wer am meisten durchmacht, ist der Alleredelste. Wäre ich in einer Wüstenei allein, wo es mich graute, und hätte ich da bei mir ein Kind, so verginge mir alles Grauen, und ich fände Kraft: so edel und froh ist das Leben. Ein Ave Maria, aus ganzem Herzen und gelassen gesprochen, hat mehr Kraft und Segen als tausend Psalter, äußerlich gebetet. Ja, ich sage, es gibt kein Ding, das den Menschen so gleich machen könnte als leiden. Solange man die Dinge begehrt, besitzt man sie nicht. Wenn man sie hat, liebt man sie, aber die Begierde fällt weg. Je mehr gebunden, um so mehr befreit. So soll es ein guter Mensch halten: mein Werk ist nicht mein Werk und mein Leben ist nicht mein Leben. Leiden wollen kommt von Liebe. Nicht leiden wollen kommt von mangelnder Liebe. In ihrem letzten Ziele suchen alle Kreaturen Ruhe, ob sie es selbst wissen oder nicht. Im Stein wird die Bewegung nicht früher geendet, bis er auf dem Boden liegt. Ebenso tun alle Geschöpfe: Sie suchen ihre natürliche Statt. Also sollte auch die liebende Seele ruhen als in Gott. Alle gleichen Dinge lieben sich untereinander. Und alle ungleichen Dinge fliehen sich und hassen sich untereinander. Wes die Geister voll sind, des begehren sie ohne Unterlaß, und wonach sie begehren, das besitzen sie allezeit in neuer, grünender, freudenreicher Wonne. Wer Gott unter bestimmten Formen sucht, der ergreift wohl diese Form, aber Gott, der in ihr verborgen ist, entgeht ihm. Solange du deine Werke verrichtest um des Himmelreichs, um Gottes oder um deiner Seligkeit willen, also von außen her, so bist du wirklich nicht auf dem Rechten. Man kann es ja wohl mit dir aushalten, doch das Beste ist das nicht. Ich soll meinen Freund lieben um seiner Güte und um seiner eigenen Tugend willen und um alles dessen, was er in sich hat. Merket wohl, alle nachdenklichen Gemüter: Das schnellste Roß, das euch zur Vollkommenheit trägt, ist Leiden. Nichts ist so gallebitter wie Leiden: und nichts so honigsüß wie Gelittenhaben. Wer hoher Dinge begehrt ist hoch. Wer Gott schauen will, muß ein hohes Begehren haben. Wisset, daß ernstes Begehren und hingegebene Demut Wunder wirken. Wer sich an Gott hängt, dem hängt Gott sich an und alles Tüchtige. Und was du zuvor suchtest, das sucht nun dich, welchem du zuvor nachjagtest, das jagt nun dir nach und was du zuvor fliehen mußtest, das flieht nun dich. Schweig' und schwätze nicht über Gott; denn damit, daß du von ihm schwätzest, lügst du und tust Sünde. Willst du also ohne Sünde und vollkommen sein, so schwätze nicht von Gott. Du sollst auch von Gott nichts verstehen, denn Gott ist über alles Verständnis. Das ewige Wort wird nur in der Stille laut. Eines mit dem Einen, Eines von dem Einen und in Einem selber das Eine ewiglich. Wer unbetrübt und lauter sein will, muß eines besitzen, das ist die innere Einsamkeit. Alles, was man von Gott aussagen kann, das ist Gott nicht. Wo der Mensch aus Hingabe das Seine preisgibt, da muß notgedrungen Gott für ihn eintreten. Stillesein und Schweigen muß sein; wo dies Wort vernommen wird, da versteht man es recht. Nun hat sich die Seele mit den Kräften nach außen zerspreitet und zerstreut, in gleichem Maße sind sie schwächer, inwendig ihr Werk zu treiben. Denn jede zerspreitete Kraft ist unvollkommen. Darum: will sie inwendig eine kräftige Wirksamkeit entfalten, so muß sie alle ihre Kräfte wieder heimrufen und sie aus den zerstreuten Dingen heraussammeln in ein inwendiges Wirken. Nur Liebe gibt allen Tugenden, daß sie Tugend heißen dürfen. Daß du klagest, daß du nicht zufrieden bist, darüber beklage dich. Ein Lebemeister ist besser denn tausend Lesemeister. Es hat keiner das Rechte gefunden, er hätte denn zuvor das Rechte verworfen. Dich kann niemand behindern als du dich selbst! Das wäre eine schwache Innerlichkeit, der das äußere Kleid aufhelfen müßte: das Innere soll dem Äußeren aufhelfen. Gott vergibt lieber Großes als Kleines. Gäbe es kein Neues, so würde kein Altes. Alle Zufälle stiften ein »Warum«. Vom Werk nicht lassen, Doch lassen von des Werkes Wirkung. Um Wirkung unbekümmert werken, Das ist das hohe Lassen! Der Gang der Freien. Die Wahrheit ist so edel: möchte Gott sich vor der Wahrheit kehren, ich wollte mich an die Wahrheit halten und Gott lassen. Wir hören viel, aber wir hören erst eigentlich, wenn wir die wirren Stimmen haben sterben lassen und nur noch eine spricht. Wir sehen viel, doch sehen wir erst eigentlich, wenn wir die wirren Lichter alle ausgeblasen haben und nur das eine klare, große in die Seele leuchtet, das fern ist aller Geschaffenheit, aller Gespaltenheit. Das Edelste, was am Menschen ist, das ist Blut, wenn es gut will. Aber das Ärgste, das am Menschen ist, das ist Blut, wenn es übel will. Nimm das schnödeste Geschäft von der Welt: Deine Hingabe verleiht ihm Adel und höheren Wert. Das lebendige Gemüt hat Macht zu allen Dingen. Wo Leib und Seele miteinander in Eintracht sind, sind alle Werke dem Menschen süß und lustvoll. Wer in seinem eigenen Hause fremd sein könnte, das wäre die wahre Armut. Es ist der Menschen Gewohnheit, daß ihnen wenig schmeckt, was sie nicht mit leiblichen Sinnen begreifen können. Je mehr die Seele über irdische Dinge erhaben ist, desto mehr Kraft hat sie. Hölle ist nichts als ein Wesen. Was hier das Wesen der Leute ist, das bleibt ihr Wesen in Ewigkeit, so wie sie drin gefunden werden. Gott hat auf Erden soviel Raum, als der Mensch ihm macht. Alles Gestürme und Unfriede stammt nur aus Eigenwillen, ob man es merke oder nicht. Es sprechen Manche: sie hätten's nicht. Da erwidere ich: das ist mir leid. Ersehnst du es aber auch nicht, das ist mir noch leider. Könnt ihr es denn nicht haben, so habt wenigstens ein Sehnen danach! Mag man auch das Sehnen nicht haben, so sehne man sich doch wenigstens nach der Sehnsucht! Man muß lernen, bei allem, was man tut, innerlich frei zu sein. Niemals kann man ein Ding recht in sich selbst erkennen, wenn man es nicht in seiner Ursache erkennt. Niemals kann es Erkenntnis heißen, wenn sie nicht das hervorbringende Ding kennt. Der Mensch ist ein kleines Ding, wenn er sich nicht über sich selbst und alle Dinge zu erheben vermag. Alle zerstreute Kraft ist unvollkommen. Hast du dich selbst lieb, so hast du alle Menschen lieb wie dich selbst. Solange du einen einzigen Menschen weniger lieb hast als dich selbst, so hast du dich selbst nie wahrhaft lieb gewonnen. Ich (aber) sage, daß ein vollkommener Mensch sich gleich ungern für eine Stunde wie für tausend Jahre von Gott trennen möchte. So ist denn dieses Ineinanderfließen in der Gottheit zugleich ein Sprechen sonder Wort und Laut, ein Hören sonder Ohren, ein Sehen sonder Augen. So gewaltig liebt Gott meine Seele, dass sein Wesen und sein Leben daran liegt, dass er mich lieben muss, es sei ihm lieb oder leid. Wer Gott das nähme, dass er mich liebt, der nähme ihm seine Gottheit. Ich überlegte mir heute nacht, dass nur Gleiches aufeinander wirken kann. Ich kann kein Ding sehen, das mir nicht gleich ist, und ich kann kein Ding erkennen, das mir nicht gleich ist. Gott trägt alle Dinge verborgen in sich selbst, aber nicht in dies oder das unterschieden, sondern eins in Einheit. Wer werden will, was er sein sollte, der muss lassen, was er jetzt ist. Hätte ich einen Gott, den ich verstehen könnte, ich wollte ihn nimmer für Gott halten. Den gerechten Menschen ist es so ernst mit der Gerechtigkeit, dass sie, gesetzt den Fall, Gott wäre nicht gerecht, nicht eine Bohne sich um Gott kümmerten. So weit du ausgehst aus allen Dingen, so weit, nicht weniger und nicht mehr, geht Gott ein mit all dem Seinen, dafern du in allen Dingen dich des Deinen völlig entäußerst. |