Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832),
Deutscher Dichter und Dramatiker, Naturforscher - Mystiker



Der herrliche Kirchengesang: Veni Creator Spiritus ist ganz eigentlich ein Appell ans Genie; deswegen er auch geist- und kraftreiche Menschen gewaltig anspricht.


Ein Zustand, der alle Tage neuen Verdruß zuzieht, ist nicht der rechte.


Eltern und Kindern bleibt nichts übrig, als entweder vor- oder hintereinander zu sterben, und man weiß am Ende nicht, was man vorziehen sollte.


Wenn ich ein zerstreutes Gerippe finde, so kann ich es zusammenlesen und aufstellen; denn hier spricht die ewige Vernunft durch ein Analogon zu mir, und wenn es das Riesenfaultier wäre.


Niemand darf sich freuen oder leiden als zum Zeitvertreib der übrigen, und so springt's von Haus zu Haus, von Stadt zu Stadt, von Reich zu Reich und zuletzt von Weltteil zu Weltteil, alles veloziferisch.


Zur Verewigung des Irrtums tragen die Werke besonders bei, die enzyklopädisch das Wahre und Falsche des Tages überliefern. Hier kann die Wissenschaft nicht bearbeitet werden, sondern was man weiß, glaubt, wähnt, wird aufgenommen; deswegen sehen solche Werke nach fünfzig Jahren gar wunderlich aus.


Zum Ergreifen der Wahrheit braucht es ein viel höheres Organ als zur Verteidigung des Irrtums.


Man erkundige sich ums Phänomen, nehme es so genau damit als möglich und sehe, wie weit man in der Einsicht und in praktischer Anwendung damit kommen kann, und lasse das Problem ruhig liegen. Umgekehrt handeln die Physiker: Sie gehen gerade aufs Problem los und verwickeln sich unterwegs in so viel Schwierigkeiten, daß ihnen zuletzt jede Aussicht verschwindet.


Aus aller Ordnung entsteht zuletzt Pedanterie; um diese loszuwerden, zerstört man jene, und es geht eine Zeit hin, bis man gewahr wird, daß man wieder Ordnung machen müsse.


Man ist nur eigentlich lebendig, wenn man sich des Wohlwollens andrer freut.


Man spricht so viel von Geschmack: der Geschmack besteht in Euphemismen. Diese sind Schonungen des Ohrs mit Aufregung des Sinnes.


Wenn mancher sich nicht verpflichtet fühlte, das Unwahre zu wiederholen, weil er's einmal gesagt hat, so wären es ganz andre Leute geworden.


Wo der Anteil sich verliert, verliert sich auch das Gedächtnis.


Man soll sich alles praktisch denken und deshalb auch dahin trachten, daß verwandte Manifestationen der großen Idee, insofern sie durch Menschen zur Erscheinung kommen sollen, auf eine gehörige Weise ineinander wirken.


Das Glück des Genies: wenn es zu Zeiten des Ernstes geboren wird.


In Rücksicht aufs Praktische ist der unerbittliche Verstand Vernunft, weil der Vernunft Höchstes ist, vis-à-vis des Verstands nämlich, den Verstand unerbittlich zu machen.


Wenn ich die Meinung eines andern anhören soll, so muss sie positiv ausgesprochen werden; Problematisches hab ich in mir selbst genug.


Der Tag an und für sich ist gar zu miserabel; wenn man nicht ein Lustrum anpackt, so gibt's keine Garbe.


Sehr oft, wenn wir uns von dem Beabsichtigten für ewig getrennt sehen, haben wir schon auf unserm Wege irgendein anderes Wünschenswerte gefunden, etwas uns Gemäßes, mit dem uns zu begnügen wir eigentlich geboren sind.


Das unmittelbare Gewahrwerden der Urphänomene versetzt uns in eine Art von Angst: wir fühlen unsere Unzulänglichkeit; nur durch das ewige Spiel der Empirie belebt, erfreuen sie uns.


Dem tätigen Menschen kommt es darauf an, daß er das Rechte tue, ob das Rechte geschehe, soll ihn nicht kümmern.


Das unmittelbare Gewahrwerden der Urphänomene versetzt uns in eine Art von Angst: wir fühlen unsere Unzulänglichkeit.


Der Verständige regiert nicht, aber der Verstand;
nicht der Vernünftige, sondern die Vernunft.


Es gibt nichts Gemeines, was, fratzenhaft ausgedruckt, nicht humoristisch aussähe.


Es ist nichts theatralisch, was nicht für die Augen symbolisch wäre.


Beim Übersetzen muss man bis ans Unübersetzliche herangehen; alsdann wird man aber erst die fremde Nation und die fremde Sprache gewahr.


Die Natur hat sich so viel Freiheit vorbehalten, daß wir mit Wissen und Wissenschaft ihr nicht durchgängig beikommen oder sie in die Enge treiben können.


Wahre, in alle Zeiten und Nationen eingreifende Urteile sind sehr selten.


Weil . die Tat überall entscheidend ist, . kann aus einem tätigen Irrtum etwas Treffliches entstehen, weil die Wirkung jedes Getanen ins Unendliche reicht.


Das Leben vieler Menschen besteht aus Klatschigkeiten,
Tägigkeiten, Intrige zu momentaner Wirkung.



Den lieb' ich, der Unmögliches begehrt.


Des Menschen größtes Verdienst bleibt wohl, wenn er die Umstände soviel als möglich bestimmt und sich so wenig als möglich von ihnen bestimmen läßt.


Aber eins bringt niemand mit auf die Welt, und doch ist es das, worauf alles ankommt, damit der Mensch nach allen Seiten zu ein Mensch sei . . . : "Ehrfurcht!"


Hoffnung gießt in Sturmnacht Morgenröte!


Alle menschlichen Gebrechen sühnet reine Menschlichkeit.

Man denkt an das, was man verließ;
Was man gewohnt war, bleibt ein Paradies.


Manchmal sieht unser Schicksal aus wie ein Fruchtbaum im Winter. Wer sollte bei dem traurigen An sehn [sic] desselben wohl denken, daß diese starren Äste, diese zackigen Zweige im nächsten Frühjahr wieder grünen, blühen, sodann Früchte tragen könnten, doch wir hoffen's, wir wissen's.


Und niemand weiß, wie weit seine Kräfte gehen, bis er sie versucht hat.


Seele des Menschen,
Wie gleichst du dem Wasser!
Schicksal des Menschen,
Wie gleichst du dem Wind!



Seelenleiden, in die wir durch Unglück oder eigne Fehler geraten, sie zu heilen vermag der Verstand nichts [sic], die Vernunft wenig, die Zeit viel, entschlossene Tätigkeit hingegen alles.

Was ihr nicht rechnet, glaubt ihr, sei nicht wahr!



Wer nicht neugierig ist, erfährt nichts.


Wir wollen alle Tage sparen und brauchen alle Tage mehr.


Ihr glücklichen Augen,
Was je ihr gesehn,
Es sei wie es wolle,
Es war doch so schön!


Man sei erst liebenswert, wenn man geliebt sein will.


Vieles wünscht sich der Mensch,
und doch bedarf er nur wenig,
denn die Tage sind kurz,
und beschränkt der Sterblichen Schicksal.


Bekanntschaften, wenn sie sich auch gleichgültig ankündigen, haben oft die wichtigsten Folgen.


Das ist der Weisheit letzter Schluß:
Der verdient sich Freiheit wie das Leben,
Der täglich sie erobern muß.



Die Deutschen, und sie nicht allein, besitzen die Gabe, die Wissenschaften unzugänglich zu machen.


Wenn man einmal weiß, worauf alles ankommt, hört man auf, gesprächig zu sein.


Verstellung, sagt man, sei ein großes Laster,
Doch von Verstellung leben wir.


Glück macht Mut.

Wehe denen, die sich der Gewalt bedienen, die sie über ein Herz haben.



Trunken müssen wir alle sein!
Jugend ist Trunkenheit ohne Wein;
Trinkt sich das Alter wieder zu Jugend,
So ist es wundervolle Tugend.
Für Sorgen sorgt das liebe Leben,
Und Sorgenbrecher sind die Reben.


Man hält einen Aal am Schwanze fester als einen Lacher mit Gründen.


Mißverständnisse und Trägheit machen vielleicht mehr Irrungen in der Welt als List und Bosheit.


Erst gewahrten wir vergnüglich
Wilden Wesens irren Lauf;
Unerwartet, unverzüglich
Trat ein neuer Kaiser auf.
Und auf den vorgeschriebnen Bahnen
Zieht die Menge durch die Flur;
Den entrollten Lügenfahnen
Folgen alle. - Schafsnatur!


Die Ruhe der Seele ist ein herrliches Ding
und die Freude an sich selbst.


Bei dem größten Verlust müssen wir uns sogleich umherschauen, was uns zu erhalten
und zu leisten übrig bleibt.
(nachdem dieser seinen Sohn verloren hatte)


Steile Gegenden lassen sich nur durch Umwege erklimmen, auf der Ebene führen gerade Wege von einem Ort zum andern.


Doch als in allerneusten Jahren
Das Weib nicht mehr gewohnt zu sparen,
Und, wie ein jeder böser Zahler,
Weit mehr Begierden hat als Taler,
Da bleibt dem Manne viel zu dulden,
Wo er nur hinsieht, da sind Schulden.


Wer's Recht hat und Geduld, für den kommt auch die Zeit.


Feiger Gedanken
Bängliches Schwanken,
Weibisches Zagen,
Ängstliches Klagen
Wendet kein Elend,
Macht dich nicht frei.



Allen Gewalten
Zum Trutz sich erhalten,
Nimmer sich beugen,
Kräftig sich zeigen,
Rufet die Arme
Der Götter herbei!



Man verliert nicht immer, wenn man entbehrt.


Man säe nur, man erntet mit der Zeit.


Die Erfahrung lehrt uns, daß die einzelnen Farben besondre Gemütsstimmungen geben.


Ach, es versucht uns nichts so mächtig als der Mangel;
Die klügsten Fische treibt der Hunger an die Angel.



Der Helden Söhne werden Taugenichtse.


Schönheit bändigt allen Zorn.


Die Natur allein ist unendlich reich, und sie allein bildet den großen Künstler.


Wir Menschen beklagen uns oft, daß der guten Tage so wenig sind und der schlimmen so viel, und, wie mich dünkt, meist mit Unrecht. Wenn wir immer ein offenes Herz hätten, das Gute zu genießen, das uns Gott für jeden Tag bereitet, wir würden alsdann auch Kraft genug haben, das Übel zu tragen, wenn es kommt.


Schreiben ist geschäftiger Müßiggang,
es kommt mir sauer an.


Handeln ist leicht, Denken schwer;
nach dem Gedanken handeln unbequem.


Aller Anfang ist schwer, am schwersten der Anfang der Wirtschaft.


Wenn ihr gegessen und getrunken habt, seid ihr wie neu geboren; seid stärker, mutiger, geschickter zu eurem Geschäft.


Es schadet nichts, wenn Starke sich verstärken.
Was man zu heftig fühlt, fühlt man nicht allzu lang.


Wenn euer Gewissen rein ist, so seid ihr frei.


Wollte nicht mit seinesgleichen leben!
Kommt er einmal zur Tür herein,
Sieht er immer so spöttisch drein
Und halb ergrimmt;
Man sieht, daß er an nichts keinen Anteil nimmt;
Es steht ihm an der Stirn geschrieben,
Daß er nicht mag eine Seele lieben.
Mir wird's so wohl in deinem Arm,
So frei, so hingegeben warm,
Und seine Gegenwart schnürt mir das Innre zu.


Niemand hört es gern,
Daß man ihn Greis nennt.


Wer nicht von dreitausend Jahren
Sich weiß Rechenschaft zu geben,
Bleib im Dunkeln unerfahren,
Mag von Tag zu Tage leben.



Große Gedanken und ein reines Herz, das ist's, was wir von Gott erbitten sollten.


Viele Gedanken heben sich erst aus der allgemeinen Kultur hervor wie die Blüten aus den grünen Zweigen. Zur Rosenzeit sieht man Rosen überall blühen


Ein entschiedenes Aperçu ist wie eine inokulierte Krankheit anzusehen: man wird sie nicht los, bis sie durchgekämpft ist.


Aller Anfang ist heiter, die Schwelle ist der Platz der Erwartung.


In der Gewohnheit ruht das einzige Behagen des Menschen.


Was hilft mich's, daß ich jetzt mit jedem Schulknaben nachsagen kann, daß sie [die Erde] rund sei? Der Mensch braucht nur wenige Erdschollen, um drauf zu genießen, weniger, um drunter zu ruhen.


Ja wohl bin ich nur ein Wandrer, ein Waller auf der Erde! Seid ihr denn mehr?


Wenn sich der Most auch ganz absurd gebärdet,
Es gibt zuletzt doch noch e' Wein.


Man gewinnt immer, wenn man erfährt, was andere von uns denken.


(28. Aug. 1771) . . . die kleinen Gefälligkeiten der Freundschaft, die tausendmal werter sind als jene blendenden Geschenke, wodurch uns die Eitelkeit des Gebers erniedrigt.


Der Rost macht erst die Münze wert.


Das ist ja wohl das Klügste, was man tun kann, um sich Ruhe zu verschaffen, dass man gegen die anderen etwas unverträglich sei.


Was man in der Jugend wünscht, hat man im Alter die Fülle.


Die Liebe kann wohl viel, allein die Pflicht noch mehr.


Denken und Tun, Tun und Denken, das ist die Summe aller Weisheit. . . .Beides muß wie Aus- und Einatmen sich im Leben ewig fort hin und wider bewegen; wie Frage und Antwort sollte eins ohne das andere nicht stattfinden.


Laßt alle nur mißgönnen,
Was sie nicht nehmen können,
Und seid von Herzen froh:
Das ist das A und O.


Wer Freude will, besänftige sein Blut.


Wer im stillen um sich schaut,
Lernet, wie die Lieb' erbaut.


Ironie ist das Körnchen Salz, das das Aufgetischte überhaupt erst genießbar macht.


Warum denn immer bös' oder gut! Müssen wir nicht mit uns selbst, so wie mit andern, vorlieb nehmen, wie die Natur uns hat hervorbringen mögen.