Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832), Deutscher Dichter und Dramatiker, Naturforscher - Mystiker Wer in dem immerfort dauernden Streben begriffen ist die Sachen in sich und nicht, wie unsere lieben Landsleute, sich nur in den Sachen zu sehen, der muß immer vorwärts kommen, indem er seine Kenntnißfähigkeit vermehrt und mehrere und bessere Dinge in sich aufnehmen kann. Die Leidenschaft bringt Leiden! Über die Kunst: Sieht man einen großen Meister, so findet man immer, daß er das Gute seiner Vorgänger benutzte, und daß eben dieses ihn groß machte. Männer wie Raffael wachsen nicht aus dem Boden. Sie fußten auf der Antike und dem Besten, was vor ihnen gemacht worden. Hätten sie die Avantagen ihrer Zeit nicht benutzt, so würde wenig von ihnen zu sagen sein. Wer mit einem Talente zu einem Talente geboren ist, findet in demselben sein schönstes Dasein! Der Liebe Sehnsucht fordert Gegenwart; Doch Zukunft ist des Vaters Eigentum. Du bist auf immer geborgen, Das nimmt dir niemand wieder: Zwei Freunde, ohne Sorgen, Weinbecher, Büchlein. Überall will jeder obenauf sein, Wie's eben in der Welt so geht. Jeder sollte freilich grob sein, Aber nur in dem, was er versteht Ich lasse mich nicht irre schrein, Nicht durch Kritik noch Zweifel. Wisse, daß mir sehr mißfällt, Wenn so viele singen und reden! Wer treibt die Dichtkunst aus der Welt? - Die Poeten! Mußt dich an eigenem Tun ergötzen, Was andre tun, das wirst du schätzen. Zwar hören wir gern, was uns're Meinung bestätigt, aber das Hören bestimmt nicht die Meinung. Wer Waffen schmiedet, bereitet Krieg und muß davon der Zither Klang nicht erwarten. Was hilft all das Kreuzigen und Segnen der Liebe, wenn sie nicht tätig wird. Führe mich auf alles, was dir gefallen kann, ich bitte dich, denn ich fühl's nicht immer. Wer nicht ganz verwöhnt und hinlänglich jung ist, findet nicht leicht einen Ort, wo es ihm so wohl sein könnte als im Theater. Uneigennützig zu sein in allem, am uneigennützigsten in Liebe und Freundschaft, war meine höchste Lust, meine Maxime. Die Menschen werden nur von Menschen gebildet, die Guten von Guten. Abscheu Heuchler, ferne von mir! Besonders du, widriger Heuchler, Der du mit Grobheit glaubst Falschheit zu decken und List. Man war ein ganz anderer Mensch, nur zuzuseh'n, wie sie sich liebten. Ich weiß wohl, daß Politik selten Treu und Glauben halten kann, daß sie Offenheit, Gutherzigkeit, Nachgiebigkeit aus unsern Herzen ausschließt. Égalité Das Größte will man nicht erreichen, Man beneidet nur seinesgleichen; Der schlimmste Neidhart ist in der Welt, Der jeden für seinesgleichen hält. Ob ich Ird'sches denk und sinne, Das gereicht zu höherem Gewinne. Mit dem Staube nicht der Geist zerstoben, Dringet, in sich selbst gedrängt, nach oben. Wer recht behalten will und hat nur eine Zunge, Behält's gewiß. Ach, daß die Einfalt, daß die Unschuld nie Sich selbst und ihren heil'gen Wert erkennt! Daß Demut, Niedrigkeit, die höchsten Gaben Der liebevoll austeilenden Natur [sind]. Welchen Weg mußte nicht die Menschheit machen, bis sie dahin gelangte, auch gegen Schuldige gelind, gegen Verbrecher schonend, gegen Unmenschliche menschlich zu sein! Gewiß waren es Männer göttlicher Natur, die dies zuerst lehrten, die ihr Leben damit zubrachten, die Ausübung möglich zu machen und zu beschleunigen. Man darf das Wahre nur wunderlich sagen, so scheint zuletzt das Wunderliche auch wahr. Das Beste ist, daß er [Hartmann von Stuttgard ] nichts verliert, wenn das Wahre wahr ist, da so viele sich nur dem ächten deßhalb widersetzen, weil sie zu Grunde gehen würden wenn sie es anerkennten. Und hinter ihm, im wesenlosen Scheine, Lag, was uns alle bändigt, das Gemeine. Der späte Mond, der zur Nacht noch anständig leuchtet, verblaßt vor der aufgehenden Sonne; der Liebeswahn des Alters verschwindet in Gegenwart leidenschaftlicher Jugend; die Fichte, die im Winter frisch und kräftig erscheint, sieht im Frühling verbräunt und mißfärbig aus, neben hell aufgrünender Birke. Die Nachahmungsgabe des Menschen ist allgemein, er will nachmachen, nachbilden, was er sieht, auch ohne die mindesten innern und äußern Mittel zum Zwecke. Alles Gute, was geschieht, wirkt einzeln. Seiner Natur nach setzt es sogleich das Nächste in Bewegung. Wenn Gott so schlechter Nachbar wäre, Als ich bin und als du bist, Wir hätten beide wenig Ehre; Der läßt einen jeden, wie er ist. Was wird mir jede Stunde so bang? - Das Leben ist kurz, der Tag ist lang. Und immer sehnt sich fort das Herz, Ich weiß nicht recht, ob himmelwärts; Fort aber will es hin und hin Und möchte vor sich selber fliehn. Und fliegt es an der Liebsten Brust, Da ruht's im Himmel unbewußt; Der Lebestrudel reißt es fort, Und immer hängt's an einem Ort; Was es gewollt, was es verlor, Es bleibt zuletzt sein eigner Tor. So sind die Menschen fürwahr! und einer ist doch wie der andre, Daß er zu gaffen sich freut, wenn den Nächsten ein Unglück befället! Es ist dies (Christus auf dem Meere wandelnd) eine der schönsten Legenden, die ich vor allen lieb habe. Es ist darin die hohe Lehre ausgesprochen, daß der Mensch durch Glauben und frischen Mut im schwierigsten Unternehmen siegen werde, dagegen bei anwandelndem geringstem Zweifel sogleich verloren sei. Während aber die Deutschen sich mit Auflösung philosophischer Probleme quälen, lachen uns die Engländer mit ihrem großen praktischen Verstande aus und gewinnen die Welt. Alles kann der Edle leisten, der versteht und rasch ergreift. Kräftig, wie wir's angefangen, Wollen wir zum Ziel gelangen. Ja, schelte nur und fluche fort, Es wird sich Beßres nie ergeben. Denn Trost ist ein absurdes Wort: Wer nicht verzweifeln kann, der muß nicht leben Wer den Geist der Gierigkeit hat, der lebt nur in Sorgen, niemand sättigt ihn. Ungeduld ist es, die den Menschen von Zeit zu Zeit anfällt, und dann beliebt er sich unglücklich zu finden. Wie manchmal hast du nur Geschichten In Winterabenden erzählt, Wie Leute, die der Hochmut quält, Nach fernen Inseln die Anker lichten, Um nicht zu Hause den Acker zu baun; Wie sie all ihre Hoffnung und sich dazu Den wilden Meeren anvertraun, Statt daheim zu bleiben in sichrer Ruh; - Sie sind reich geworden, und sind - verdorben, Und sind zuletzt noch in Armut gestorben. Die Stätte, die ein guter Mensch betrat, Ist eingeweiht; nach hundert Jahren klingt Sein Wort und seine Tat dem Enkel wieder. Dabey lern ich denn auch, alles wohl berechnet, daß es nicht gut ist daß der Mensch allein sey, und sehne mich recht herzlich zu den meinigen Wie selten ist der Mensch mit dem Zustande zufrieden, in dem er sich befindet! Er wünscht sich immer den seines Nächsten, aus welchem sich dieser gleichfalls heraussehnt. Mit fremden Menschen nimmt man sich zusammen, Da merkt man auf, da sucht man seinen Zweck In ihrer Gunst, damit sie nutzen sollen. Allein bei Freunden läßt man frei sich gehn, Man ruht in ihrer Liebe, man erlaubt Sich eine Laune; ungezähmter wirkt Die Leidenschaft, und so verletzen wir Am ersten die, die wir am zartsten lieben. Die Jugend ist vergessen Aus geteilten Interessen; Das Alter ist vergessen Aus Mangel an Interessen. . die Geschäftsleute bedenken nicht, daß Acten, vom lateinischen Acta hergeleitet, so viel heißt als Gethanes, und daß also darin keineswegs eingeheftet werden dürfe, was man thun werde oder wolle. Beide Geschlechter haben eine Grausamkeit gegeneinander . . . : Bei den Männern die Grausamkeit der Wollust, bei den Weibern die des Undanks, der Überempfindlichkeit, des Quälens u.a.m. Was bin ich denn gegen das All? . wie kann ich ihm gegenüber, wie kann ich in seiner Mitte stehen? Der Künstler kann nur arbeiten, Beifall läßt sich wie Gegenliebe wünschen, nicht erzwingen. Ein geschäftiges Weib tut keine Schritte vergebens. Süßes Leben! schöne freundliche Gewohnheit des Daseins und Wirkens! Sie [die Götter] reden nur durch unser Herz zu uns. Über vieles kann Der Mensch zum Herrn sich machen, seinen Sinn Bezwinget kaum die Not und lange Zeit. Memento Kannst dem Schicksal widerstehen, Aber manchmal gibt es Schläge; Will's nicht aus dem Wege gehen, Ei, so geh' du aus dem Wege! Wie man es nur über das Herz bringen kann, die garstigen Affen so sorgfältig abzubilden. Man erniedrigt sich schon, wenn man sie nur als Tiere betrachtet; man wird aber wirklich bösartiger, wenn man dem Reize folgt, bekannte Menschen unter dieser Maske aufzusuchen. Das Einfache verbirgt sich im Mannigfaltigen, und da ist's, wo bei mir der Glaube eintritt, der nicht der Anfang, sondern das Ende alles Wissens ist. Was tüchtige Herren taten, Wird Knechten auch geraten; Was einer kühn geleistet, Gar mancher sich erdreistet. Man tadelt den, der seine Taten wägt. Das Leben ist kurz . man muß sich einander einen Spaß zu machen suchen. Doch werdet ihr nie Herz zu Herzen schaffen, Wenn es euch nicht von Herzen geht. Genug Immer niedlich, immer heiter, Immer lieblich! und so weiter, Stets natürlich, aber klug; Nun, das, dächt' ich, wär' genug. Im Leben ist nichts Gegenwart. Die Geschichte der Wissenschaften ist eine große Fuge, in der die Stimmen der Völker nach und nach zum Vorschein kommen. Worte sind der Seele Bild - Nicht ein Bild! sie sind ein Schatten! Sagen herbe, deuten mild, Was wir haben, was wir hatten. - Was wir hatten, wo ist's hin? Und was ist's denn, was wir haben? - Nun, wir sprechen! Rasch im Fliehn Haschen wir des Lebens Gaben. Widersacher, Weiber, Schulden, Ach! kein Ritter wird sie los. Dem Liebhaber glaubt ein Mädchen immer mehr als der Mutter. Denn der Ewge herrscht auf Erden, Über Meere herrscht sein Blick; Löwen sollen Lämmer werden, Und die Welle schwankt zurück. Blankes Schwert erstarrt im Hiebe, Glaub und Hoffnung sind erfüllt; Wundertätig ist die Liebe, Die sich im Gebet enthüllt. Ist Gehorsam im Gemüte, Wird nicht fern die Liebe sein. Ich fürchte mich vor niemand mehr, als vor einem Toren, der einen Anlauf nimmt, klug zu werden. Es werden die Sachen nicht durch Übereilung gebessert. Der Tod, gefürchtet oder ungefürchtet, Kommt unaufhaltsam. Wer was Gutes beginnt, soll niemals weilen. Die Menschen kennen sich einander nicht; nur die Galeerensklaven kennen sich, Die eng an eine Bank geschmiedet keuchen; Wo keiner was zu fordern hat und keiner Was zu verlieren hat, die kennen sich! Wo jeder sich für einen Schelmen gibt, Und seinesgleichen auch für Schelmen nimmt. Auch die Kultur, die alle Welt beleckt, Hat auf den Teufel sich erstreckt. Ungerecht bleiben die Männer, und die Zeiten der Liebe vergehen. Ich komme bald, ihr goldnen Kinder, Vergebens sperret uns der Winter In unsre warmen Stuben ein. Wir wollen uns zum Feuer setzen Und tausendfältig uns ergötzen, Uns lieben wie die Engelein. Wir wollen kleine Kränzchen winden, Wir wollen kleine Sträußchen binden Und wie die kleinen Kinder sein. Man sieht leicht, wie hier [im Neuplatonismus] die Erlösung nicht allein von Ewigkeit her beschlossen, sondern als ewig notwendig gedacht wird, ja, daß sie durch die ganze Zeit des Werdens und Seins sich immer wieder erneuern muß. Nichts ist in diesem Sinne natürlicher, als daß die Gottheit selbst die Gestalt des Menschen annimmt, die sie sich zu einer Hülle schon vorbereitet hatte, und daß sie die Schicksale desselben auf kurze Zeit teilt, um durch diese Verähnlichung das Erfreuliche zu erhöhen und das Schmerzliche zu mildern. Man soll nicht lachen! Sich nicht von den Leuten trennen! Sie wollen alle machen, Was sie nicht können. Der mißversteht die Himmlischen, der sie Blutgierig wähnt: er dichtet ihnen nur Die eignen grausamen Begierden an. Der Rettende faßt an und klügelt nicht. Was ist des Freiesten Freiheit? - Recht zu tun! Die Natur ist doch das einzige Buch, das auf allen Blättern großen Gehalt bietet Man wird nicht ärmer, wenn man sein Hauswesen zusammen zieht. Ist doch das Leben nur auf Gewinn und Verlust berechnet! Wer macht nicht irgendeine Anlage und wird darin gestört! Wie oft schlägt man einen Weg ein und wird davon abgeleitet! Wie oft werden wir von einem scharf ins Auge gefaßten Ziel abgelenkt, um ein höheres zu erreichen! Es erregt mir daher immer Schmerz, wenn man ein wirkliches Kunst- oder Naturgebilde mit der Vorstellung vergleicht, die man sich davon gemacht hatte, und dadurch sich den reinen Genuß des erstern verkümmert. Vermag doch unsere Einbildungskraft nicht einmal das Bild eines wirklich gesehenen, schönen Gegenstandes getreu wiederzugeben; immer wird die Vorstellung etwas Neblichtes, Verschwimmendes enthalten. Die Erfahrung ist fast immer die Parodie auf die Idee. Neigung besiegen ist schwer; gesellet sich aber Gewohnheit, Wurzelnd, allmählich zu ihr, unüberwindlich ist sie. Laßt uns auch so ein Schauspiel geben! Greift nur hinein ins volle Menschenleben! Ein jeder lebt's, nicht vielen ist's bekannt, Und wo ihr's packt, da ist's interessant. In bunten Bildern wenig Klarheit, Viel Irrtum und ein Fünkchen Wahrheit. So wird der beste Trank gebraut, Der alle Welt erquickt und auferbaut. Laß den Anfang mit dem Ende Sich in eins zusammenzieh'n! Schneller als die Gegenstände Selber dich vorüberflieh'n. Danke, daß die Gunst der Musen Unvergängliches verheißt: Den Gehalt in deinem Busen Und die Form in deinem Geist. Gebraucht der Zeit, sie geht so schnell von hinnen, Doch Ordnung lehrt euch Zeit gewinnen. Hoffnung bleibt mit dem Leben vermählt. Aus Italien dem Formreichen war ich in das gestaltlose Deutschland zurückgewiesen, heiteren Himmel mit einem düsteren zu vertauschen. Ach Gott! die Kunst ist lang, Und kurz ist unser Leben. Aus den frühern Zeiten deutscher Literatur ward manches Einzelne erfreulich hervorgerufen, niemals aber drang die Unterhaltung in einen tieferen Zusammenhang, weil man Merkmale ungleicher Gesinnung vermeiden wollte. In welchen seligen Zustand versetzt uns die Treue! sie gibt dem vorübergehenden Menschenleben eine himmlische Gewißheit; sie macht das Hauptkapital unsers Reichtums aus. |